Peter Singer: Naturerkenntnis und das Denken an das NS-Gegime
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Peter Singer
Philosoph (Bio-Ethiker)
"Natürlich ist die Vergangenheitsbewältigung für die
Deutschen immer noch mühevoll, und die deutsche Geschichte ist so
geartet, dass sie rationales Verstehen übersteigt. Es gibt jedoch
teilweise einen besonders ausgeprägten Fanatismus innerhalb der
deutschen Euthanasie-Debatte, der über die gewöhnliche Abkehr
vom Nationalsozialismus hinausgeht und indes der Geisteshaltung zu
ähneln beginnt, die der Nationalsozialismus ermöglichte.
Um zu begreifen, wie diese funktioniert, lassen wir einmal die Euthanasie
beiseite und betrachten ein Thema, das für die Deutschen damit eng
verwandt und ebenso tabu ist: das Problem der Eugenik.
Wegen der eugenischen Praxis unter den Nazis ist alles, was sich auf
irgendeine Art und Weise mit der Gentechnologie berührt, mit
Assoziationen an die Nazis behaftet.
Unter Beschuss kommt die pränatale Diagnostik in
Verbindung mit selektivem Schwangerschaftsabbruch bei einem
Fötus mit Down-Syndrom, Spina bifida oder anderen Schädigungen,
und Kritik übt man sogar an genetischer Beratung, welche eine Zeugung
von Kindern mit genetischen Defekten vermeiden soll. Sie hat auch das
deutsche Parlament dazu veranlasst, einstimmig ein Gesetz zum Verbot aller
nichttherapeutischen Experimente mit menschlichen Embryonen zu verabschieden.
Im Gegensatz dazu verabschiedete das britische Parlament unlängst mit
überwältigenden Mehrheiten im Unter- und Oberhaus ein Gesetz zur
Freigabe nichttherapeudischer Versuche an
Embryos
bis zu vierzehn Tage nach der Befruchtung.
Das Groteske an dieser Situation ist, dass diese Gegnerschaft nicht wie in
angelsächsischen Ländern vom rechten Flügel der Konservativen
und von religiösen Gruppierungen, sondern von der Linken ausgeht. Da
Frauengruppen sich beim Widerstand gegen alles, was die Eugenik auch nur im
geringsten tangiert, besonders hervortun und ebenso in der Bewegung für
das Recht auf Schwangerschaftabbruch in vorderster Front stehen, erzeugt das
Thema der pränatalen Diagnostik ein nicht zu übersehendes Problem
in feministischen Kreisen Deutschlands. Dabei scheint die Lösung
akzeptiert zu sein, dass eine Frau das Recht auf Schwangerschaftsabbruch
hat, allerdings nicht auf einen solchen, der auf
präziser Information über die Lebensaussichten des Fötus
im Mutterleib beruht."
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