Frühwald und Konrad Lorenz: Wissenschaft, Naturerkenntnis
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Wolfgang FrühwaldLiteraturhistoriker und Wissenschaftstheoretiker |
"Es stehen [...] zwei höchst unterschiedliche Weisen der Wahrnehmung von Realität gegeneinander:
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Ich bin weit entfernt, die ernsten Gefahren zu leugnen, die unserer Welt und zumal ihrer Gen-Ausstattung drohen, das Artensterben, die Vermüllung, die Auszehrung der Biosphäre, die soziale und ökonomische Verelendung von zwei Drittel der über fünf Milliarden [1992] auf unserer Welt lebenden Menschen.
Aber diese Gefahren sind sämtlich nur durch eine bessere Kenntnis ihrer Ursachen und Strukturen, demnach durch mehr, nicht durch weniger Wissenschaft zu lösen."
Ernest Jones Psychoanalytiker |
"Die Kontroverse zwischen Ärzten und Juristen über die
Verantwortlichkeit für ein Verbrechen ist sehr alt. Die Ärzte ziehen
bei dieser Auseinandersetzung gewöhnlich den kürzeren, da sie
die Prämissen der Juristen als unanfechtbar hinnehmen müssen,
und sie werden zu vergeblichen Versuchen gezwungen, eine durch Gesetze
[hier im Gegensatz zu den Naturgesetzen besser "Jurismen" genannt]
geschaffene Fiktion auf die Wirklichkeit anzuwenden. Unter der Annahme, dass
bestimmte seelische Zustände und Impulse entweder
nur durch »Krankheit«
oder durch »schuldhaftes Verhalten« verursacht werden --- zwei in
diesem Zusammenhang gleichermaßen vage Begriffe --- wird von den
Ärzten verlangt, zwischen beiden scharf zu
unterscheiden, wobei sie natürlich Schiffbruch erleiden müssen.
Die diese Annahme zugrunde liegende Voraussetzung scheint zu sein, dass das
[juristische] Gesetz einige Handlungsweisen vorsieht, die eine bestimmte
Ursache haben, nämlich Krankheit, während alle anderen als
Werk des freien Willens gewertet werden, der für so allmächtig
gehalten wird, dass es das erste Glied in einer Kette von Gedanken oder
Handlungen bilden kann.
[Siehe zum "freien Willen" auch Wolf
Singer!]
Indem die Ärzte eine besonders willkürliche Unterscheidung zwischen
geistiger Gesundheit und Krankheit akzeptieren, setzen sie sich über
die Erkenntnisse ihrer eigenen Wissenschaft hinweg, und indem sie die
juristischen Auffassung vom »freien Willen« akzeptieren, geben sie
das einzige grundlegende Prinzip aller Wissenschaft überhaupt auf.
Der Trieb, ein Verbrechen, sogar ein schweres, zu begehen, um dadurch das
Schuldgefühl zu unterdrücken, das aus dem unbewussten Wunsch nach
einer noch verborgeneren Handlung erwächst, stellt durchaus keinen
seltenen Mechanismus dar. Das ist eine der vielen unerwarteten
Entdeckungen der Psychoanalyse [...]
Die Tatsache, dass die Psychoanalytiker notwendigerweise einen
deterministischen [die menschliche Willensfreiheit ausschließenden]
Standpunkt gegenüber der Frage der moralischen Verantwortlichkeit
einnehmen, hat einige leichtfertige Kritiker dazu gebracht, ihnen eine
völlige Ablehnung der Strafe zu unterstellen, eine Ansicht, die in
Wirklichkeit kein Psychoanalytiker je vertreten hat. Das ganze Problem
der Strafe --- sowohl auf diesem Gebiet als auch in der Erziehung ---
bedarf dringend der psychologischen Erforschung. Das zumindest könnten
die Psychoanalytiker verlangen. Es ist jedenfalls klar, dass sich bei
dem gegenwärtigen Strafrechtssystem hinter den Motiven der Abschreckung
und Besserung, die gewöhnlich vorgebracht werden, oft das tiefere Motiv
der Vergeltung verbirgt [...] Intoleranz gegenüber Vergehen anderer ist
ein sicheres Zeichen eines schlechten Gewissens, der Anstrengungen, die
es kostet, verbotene unbewusste Triebregungen zu unterdrücken.
Die Entrüstung, die die meisten Menschen bei jedem drohenden Kontakt
zwischen Rechtswesen und Psychologie (...) äußern, ist in der Tat
wohlbegründet, denn
jeder Versuch, die zur Diskussion stehenden Probleme der menschlichen Natur zu ergründen und zu verstehen, würde wahrscheinlich eine beträchtliche Revolutionierung der augenblicklichen Methoden und Einstellungen der Justiz zur Folge haben."
Konrad Lorenz Ethologe und Mediziner |
"Wenn man biologisch denken gelernt hat und von der Macht der instinktiven Antriebe ebenso weiß wie von der relativen Ohnmacht aller verantwortlichen Moral und aller guten Vorsätze und wenn man zusätzlich noch einige psychiatrisch-tiefenpsychologische Einsicht in das Zustandekommen von Störungen sozialen Verhaltens hat, ist einem die Möglichkeit benommen, den »Delinquenten« mit jenem selbstgerechten Zorne zu verdammen, wie jeder gefühlsstarke Naive dies tut. Man sieht dann im Ausfallbehafteten weit mehr den bemitleidenswerten Kranken als den satanisch Bösen, was rein theoretisch ja auch völlig richtig ist. Wenn dann aber zu dieser berechtigten Einstellung noch der Irrglaube der pseudodemokratischen Doktrin tritt, dass alles menschliche Verhalten durch Konditionierung strukturiert, daher auch durch sie unbegrenzt verändert und korrigiert werden könne, so kommt es zur schweren Versündigung an der menschlichen Gesellschaft."
(Siehe hierzu auch Wolf Singer!)
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